Hauptsache, es sieht geil aus

„Seelenlose Plastikmonster, bewaffnete Plüschtiere und rosarote Laptops“ beklagt das ZEIT-Dossier dieser Woche und greift dabei auch einen Gedanken auf, der mir schon vor langer Zeit durch den Kopf ging: Lego ist heute anders… und die Form bestimmt den Erfolg…

Die Anfänge der Transformation waren schon zu sehen, als ich selbst noch mit Lego gespielt habe: Waren früher alle Bausteine mehr oder minder rechteckig, kamen (immer noch sehr abstrakt) „Dachziegel“, später umgekehrte Schrägen und – zunächst noch sehr stilisierte – Männchen ins Programm. Ich weiß noch, wie ich über die Zeit mehrere „Omnibus“-Packungen zusammengekauft habe, um meine Legowelten intensiv bevölkern zu können… diese ersten Humanoiden waren schließlich universell einsetzbar: Obgleich als Buspassagiere gekauft, taugten sie doch genau so gut als Geheimagent, U-Bootfahrer oder was-immer uns gerade bewegt hatte.

Nicht viel später folgten dann aber Figuren mit aufgemaltem Gesicht sowie beweglichen Armen und Beinen, die zunehmend detaillierter wurden und von schlichten „Menschen“ zu Polizisten, Feuerwehrleuten, Raumfahrern und anderen Spezialisten mutierten. Parallel dazu entstanden unzählige Spezialbauteile, die man auch mit reichlich Fantasie kaum noch zu etwas anderem als ihrem durchdesignten Zweck nutzen konnte.

Die ZEIT greift in diesem Zusammenhang Erkenntnisse des Marketingexpertens Martin Lindstrom auf, der einen Rückgang des kreativen Spiels bei Kindern festgestellt hat, als er für die Firma Lego Untersuchungen durchführte: Seine jungen Testspieler hatten die Modelle zwar nachgebaut, dann aber landeten die im Regal statt auf der Spielwiese – offensichtlich fielen den Baumeistern keine Erzählungen zu den fertigen Krankenhäusern und Polizeistationen ein. „Diese Kinder sind nicht länger aus sich heraus fantasiegetrieben – sie sind Fantasiekonsumenten“, folgert Lindstrom.

Durch das Angebot allgemein „akzeptierter Träume“ – ich würde eher sagen massenkompatibler und erfolgreich vermarkteter Konstrukte – habe Lego seinen Markterfolg gesichert, heißt es von Lindstrom weiter. Und Legos Marketingdirektor Niels Sandahl fügt hinzu: „Kinder von heute wollen ein gutes Spielszenario.“ Da ist womöglich was dran – zumindest deckt sich das mit der Beobachtung, dass auch ältere Spieler, häufig erst einmal die Darstellungsqualitäten eines (dann meist computerisierten) Spiels loben, bevor (falls überhaupt) der Inhalt desselben zur Sprache kommt.

Ob hier aber nun das Angebot der originären Nachfrage folgt oder die Nachfrage entsprechend des gewünschten Angebots durch „cross-mediale“ Marktmacht einer Allianz der Medien- und Spielzeugproduzenten in die Spielzimmer aller Altersklassen gedrängt wird – ob der Wunsch nach Hyperrealität auch des Irrealen dem ursprünglichen Geist des Spielenden entspringt oder durch die Verlockung des Verfügbaren erst geweckt wird, diese Fragen müssen wohl offen bleiben. Eine phänomenale Darstellung ist naturgemäß sofort offensichtlich und gleichermaßen leichter zu bewundern wie zu bewerben als eine tiefgründige Spielidee (was ja noch nicht heißt, dass ein derart „hübsches“ Spiel immer schlecht sein muss…).

Die ZEIT-Autorin Susanne Gaschke wirft denn auch zu Recht die Frage auf, ob hier tatsächlich noch der Ausgangspunkt eigenen Spiels zu finden ist oder doch nur programmierte Dialoge nachgespielt werden – und hofft im Schlussatz auf die Unbeugsamkeit kindlicher Kreativität, wie sie in Momo selbst die grauen Männer bezwingen konnte. Ich jedenfalls würde mir – auch außerhalb der Kinderzimmer und Spielarenen – wünschen, dass wir wieder öfter vorrangig auf die inhaltliche Qualität schauen, statt der gefälligen Form zu folgen. Womöglich fiele es dann auch leichter, Kreativität wie Energie in die wirklich wichtigen Dinge zu investieren und Oberflächlichkeiten zu enttarnen – wäre doch toll, wenn man das schon im Spiel lernen würde.